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Innovative augenärztliche Versorgung durch Telemedizin
Die MÜNCHENSTIFT geht in einem Kooperationsprojekt zur augenärztlichen Versorgung mit der Mirantus Health GmbH neue Wege. Nach einer erfolgreichen Pilotphase im Hans-Sieber-Haus begann das Haus St. Martin im Dezember 2023 als erstes mit der Einführung. Eine gute fachärztliche Versorgung der Bewohner:innen wird bald in allen Häusern möglich sein.
Menschen mit Demenz oder Gehunsicherheit sind ganz besonders auf ihren Sehsinn angewiesen. Gerade ihnen ist aber der Weg zur Facharztpraxis oft nur schwer oder kaum möglich – mit der Folge, dass eine Verschlechterung des Sehens oder eine Augenerkrankung nicht entdeckt wird. Zu den häufigsten festgestellten Augenerkrankungen, die in der OVIS-Studie der Stiftung Augen zwischen 2014 und 2016 in Seniorenheimen durchgeführt wurde, zählen altersabhängige Makuladegeneration (AMD), Grauer Star und Grüner Star. Bei rund der Hälfte der Teilnehmenden lag ein Grauer Star vor, bei knapp 40 Prozent eine AMD und bei rund 21 Prozent bestand der Verdacht oder die gesicherte Diagnose eines Grünen Stars. Zudem fehlten häufig passende Brillen, um gutes Sehen und Lesen zu ermöglichen und wesentlich zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben beizutragen.
Um die Bewohner:innen bestmöglich augenärztlich zu versorgen, ist die MÜNCHENSTIFT nun die Kooperation mit Mirantus Health eingegangen. "Für die Gesundheit und Lebensqualität unserer Bewohner:innen ist diese augenfachärztliche Versorgung enorm wichtig. Bedarfsgerechte Brillen oder die frühzeitige Entdeckung und Behandlung z. B. von Grauem Star ermöglichen Selbstständigkeit und Teilhabe am sozialen Leben", so Geschäftsführerin Renate Binder.
So verläuft die Untersuchung
Ein Untersuchungsteam aus Optometrist:innen (spezialisierten Optiker:innen) und medizinischen Fachangestellten kommt mit Diagnosegeräten in die MÜNCHENSTIFT-Einrichtungen. Die Ergebnisse werden über eine Telemedizin-Plattform an die behandelnden Ärzt:innen übermittelt, die dann in Videosprechstunden, die von den gesetzlichen Krankenkassen getragen werden, das weitere Vorgehen mit den Patient:innen besprechen. Die Pflegekräfte unterstützen diese dabei und auch Angehörige können sich dazuschalten.
"Ich habe dieses Versorgungsmodell während eines Forschungsaufenthalts in England kennengelernt", erzählt Mirantus-Gründer Dr. med. Claus Gruber. Eine Studie der Universitäts-Augenklinik Bonn bestätigte, dass es auch für die augenärztliche Unterversorgung von Senioreneinrichtungen in Deutschland ein vielversprechendes Konzept ist. Das 2022 gegründete Unternehmen wurde beim Health-i Award 2023 von Handelsblatt und Techniker Krankenkasse zu den 10 besten Startups gewählt.
Nach erfolgreichem Test: Einführung in den Häusern
Der erste Testeinsatz im Hans-Sieber-Haus verlief sehr erfolgreich. Dabei wurden bei 28 Prozent der Untersuchten eine bisher nicht erkannte Erkrankung diagnostiziert. "Das Spektrum reichte von trockenen Augen über Grauen Star bis zu vereinzeltem Grünen Star. Auch eine akute Form der AMD wurde identifiziert, was bei Nichtentdecken vermutlich zu starken Sichteinschränkungen geführt hätte", so Dr. med. Claus Gruber.
Die ersten regelrechten Untersuchungen starteten im Dezember in St. Martin. "Bei uns hat sich fast die Hälfte der 272 Bewohner:innen angemeldet", so Pflegedienstleiter Armin Boskovic. "Gerade für Demenzkranke ist eine Untersuchung in vertrauter Umgebung, begleitet von Fachkräften, die sie kennen, sehr wichtig." "Ich habe nach den Untersuchungen des mobilen Teams und der Sichtung der Ergebnisse sowohl Video- als auch persönliche Gespräche in den Wohnbereichen geführt", erzählt Dr. med. Julia Promesberger. "Die Untersuchungen und Gespräche waren sehr gut organisiert, einige Angehörige waren dabei, einer hat sich über den Computer hinzugeschaltet. Wir hatten mehr Zeit als dies in der Praxis möglich wäre."
"Ich lebe in Hamburg und bin beruflich viel im Internet unterwegs", so Christian Volk, dessen Mutter aufgrund einer Demenz in St. Martin lebt. "Meine Mutter hat sich riesig gefreut, als sie mich bei der Besprechung mit der Ärztin auf dem Monitor sah. Für uns beide war es sehr beruhigend, da es uns mehr Sicherheit gab. Vor der Untersuchung erhielt ich als gesetzlicher Vertreter ein Anschreiben und gab mein Einverständnis, danach wurde ich gefragt, ob ich online dabei sein wollte. Einen Tag davor kamen die Zugangsdaten und ich konnte vom Homeoffice aus bequem daran teilnehmen. Ich war begeistert, dass es so gut geklappt hat."
Nach diesen guten Erfahrungen werden 2024 sukzessive mehr MÜNCHENSTIFT-Häuser an den Untersuchungen teilnehmen. "Wir wünschen uns zudem, dass weitere ärztliche Fachrichtungen folgen", so Geschäftsführerin Renate Binder. "Als kommunaler Träger sieht sich die MÜNCHENSTIFT in der Verantwortung, innovative Konzepte zu testen und darüber zu berichten, damit auch andere Pflegeeinrichtungen darauf aufmerksam werden."